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Die Rolle der Sozialen Medien beim Erstarken der AfD in Thüringen und Sachsen: Eine Analyse

Am 1. September 2024 erzielte die rechtsextreme AfD in Thüringen und Sachsen beachtliche Wahlerfolge. Dieser Aufstieg ist kein Zufall und kann nicht losgelöst von der Art und Weise betrachtet werden, wie die AfD soziale Medien strategisch nutzt. Doch nicht nur soziale Netzwerke spielen eine entscheidende Rolle, auch die Darstellung der AfD in klassischen Medien, wie Talkshows, trägt zum sogenannten „False Balancing“ bei und verstärkt die Legitimation der Partei.

Die Macht der Sozialen Medien

Die AfD hat in den letzten Jahren ihre Präsenz auf Plattformen wie Facebook, Twitter (jetzt X), Instagram und zunehmend auch TikTok massiv ausgebaut. Insbesondere in Ostdeutschland, wo die Partei ihren stärksten Rückhalt hat, dient das Internet als bevorzugter Kanal, um direkt mit Wählern zu kommunizieren. Durch diese Kanäle umgeht die AfD weitgehend die traditionelle mediale Vermittlung, was ihr ermöglicht, ihre Botschaften ungehindert und ohne redaktionelle Filter an ihre Zielgruppen zu verbreiten.

Strategien der AfD in den Sozialen Medien:

  1. Emotionale und Polarisierende Inhalte: Die AfD setzt bewusst auf Inhalte, die Emotionen wecken – vor allem Angst, Wut und Frustration. Soziale Netzwerke verstärken solche Inhalte algorithmisch, was dazu führt, dass sie mehr Reichweite erzielen als sachlich-nüchterne Informationen.
  2. Direkte Ansprache und Authentizität: Viele AfD-Politiker nutzen ihre Profile, um sich direkt an ihre Anhänger zu wenden, oft in einem „unkonventionellen“ Stil, der Nähe und Authentizität vermittelt. Diese Nähe wird von Anhängern oft als Beweis dafür angesehen, dass die Partei „nah am Volk“ agiert.
  3. Vernetzung mit rechtsextremen Gruppen: Durch geschickte Netzwerkeffekte, Kooperationen mit rechtsextremen Influencern und die Nutzung von Kanälen, die von Verschwörungstheoretikern und rechten Gruppierungen betrieben werden, erweitert die AfD ihre Reichweite deutlich über ihre eigenen Anhänger hinaus.
  4. False Information und Verschwörungstheorien: Häufig wird gezielt mit Falschinformationen gearbeitet. Die schnelle Verbreitung von Fake News auf sozialen Medien, insbesondere in Filterblasen, hilft der AfD, Desinformation zu streuen und ihr Narrativ zu stärken.

Das Problem des „False Balancing“ in klassischen Medien

Ein weiteres Element, das den Erfolg der AfD unterstützt, ist ihre mediale Präsenz in klassischen Formaten, insbesondere in Talkshows. Das Prinzip des „False Balancing“ bezieht sich auf die Tendenz von Medien, extremen Positionen gleich viel Raum zu geben wie moderaten oder faktenbasierten Ansichten, unter dem Vorwand der „Ausgewogenheit“.

In Talkshows wird die AfD oft als legitime politische Stimme behandelt, obwohl viele ihrer Positionen nicht nur extrem, sondern oft auch wissenschaftlich widerlegt oder demokratiefeindlich sind. Diese Plattformen geben der Partei eine Legitimität, die sie in den Augen vieler Wähler zur „normalen“ politischen Alternative macht. Talkshows und Diskussionen über Migration, Sicherheit oder die „Krise der Demokratie“ bieten der AfD eine Bühne, um ihre stark vereinfachten und polarisierenden Ansichten zu verbreiten. Dadurch wird die Partei nicht nur sichtbarer, sondern auch zunehmend als politisch relevante Kraft wahrgenommen, die „vermeintliche“ Probleme adressiert, die von den etablierten Parteien ignoriert würden.

Fazit

Die Erfolge der AfD bei den Wahlen in Thüringen und Sachsen 2024 sind das Ergebnis eines perfekten Zusammenspiels aus gezielter Nutzung sozialer Medien, der Mobilisierung von Wut und Angst sowie der unkritischen Darstellung in klassischen Medienformaten. Die Partei profitiert von den dynamischen Mechanismen, die soziale Netzwerke bieten, während sie gleichzeitig von der traditionellen Medienlandschaft und ihrem Streben nach „Ausgewogenheit“ begünstigt wird.

Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, ist es von entscheidender Bedeutung, dass sowohl die Medien als auch die Gesellschaft lernen, mit diesen Phänomenen umzugehen: durch kritische Medienkompetenz, die Förderung faktenbasierter Berichterstattung und den aktiven Widerstand gegen die Verbreitung von Desinformationen.

Was denkst du über die Rolle der Medien und sozialen Netzwerke in diesem Zusammenhang?

Studien zu Social Media und politischem Extremismus:

  • „Populism and the social media ecosystem“ (2020) von Stijn van Kessel und Kollegen: Diese Studie untersucht, wie populistische Parteien, einschließlich der AfD, soziale Medien nutzen, um ihre Basis zu mobilisieren und zu erweitern.
  • „AfD and Social Media: The Role of Social Networks in the Success of the AfD“ (2019) von Thorsten Faas und Christina Rath. Diese Arbeit behandelt die Kommunikationsstrategien der AfD und die Bedeutung sozialer Netzwerke für deren Wahlerfolge.

Zur Rolle von False Balancing in Medien:

  • „False Balance and Media Coverage of Climate Change“ von Maxwell Boykoff: Obwohl das Thema sich auf den Klimawandel bezieht, bietet diese Arbeit eine allgemeine Analyse, wie False Balancing zu einer verzerrten öffentlichen Wahrnehmung führen kann. Diese Prinzipien können auf politische Diskussionen übertragen werden, insbesondere wenn extremistische Parteien wie die AfD in Talkshows auftreten.
  • „The AfD and the Media“ (2022) von Hajo Funke: Diese Untersuchung beschreibt, wie die AfD die Medienlandschaft in Deutschland manipuliert und in Debatten zunehmend normalisiert wird.

Berichterstattung über AfD und Wahlerfolge in Sachsen und Thüringen:

  • „Rechtspopulismus in den neuen Bundesländern: Eine Analyse der AfD-Wahlerfolge“ (2020) von Franziska Schreiber. Diese Arbeit behandelt die Ursachen für die besonderen Erfolge der AfD in Ostdeutschland und wie Medien und soziale Netzwerke dabei eine Rolle spielen.
  • Berichterstattung in Zeitungen wie der Süddeutschen Zeitung, Die Zeit oder Der Spiegel: Viele dieser Medien haben tiefgehende Analysen zum Erfolg der AfD und ihrer Strategien veröffentlicht, gerade im Kontext der Wahlen 2024.

Zu Fake News und Desinformation:

  • „The Spread of Fake News on Social Media“ (2018) von Soroush Vosoughi, Deb Roy und Sinan Aral. Diese Studie zeigt auf, wie Desinformationen sich über soziale Netzwerke schneller und weiter verbreiten als wahre Informationen.
  • „AfD and Disinformation“ von Correctiv (2023): Eine spezifische Untersuchung der Desinformationskampagnen, die die AfD in den sozialen Medien unterstützt.

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